Besuch der UN und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Thematisch top aktuell besuchte der Arbeitskreis zunächst die Vereinten Nationen in Bonn, wo uns Botschafter a.D. und langjähriger Mitarbeiter im Auswärtigen Dienst Harald Ganns die Chancen, Herausforderungen und Risiken von UN-Blauhelmmissionen erläuterte. Was uns dort präsentiert wurde und welche Rolle die Fußball-Nationalmannschaft des Niger dabei spielte, erfahrt ihr hier.

Dass Harald Ganns neben seiner Tätigkeit als Botschafter für die Bundesrepublik im Niger auch als Fußballtrainer vor Ort aktiv war, hatte er uns einige Stunden zuvor selbst erzählt. Eine nette Anekdote über die nebenberufliche Tätigkeit eines Fußballbegeisterten, welcher auch im Rahmen der Völkerverständigung ein lokales Fußballteam trainiert, dürften die meisten wohl gedacht haben. Dass Herr Ganns aber nicht weniger als die Fußball-Nationalmannschaft des nordafrikanischen Staates damit meinte, erzählt er uns nicht. Das finden wir erst später heraus, lange nachdem wir den Gebäudekomplex der Vereinten Nationen in Bonn schon wieder verlassen haben. Die Bundesrepublik als Botschafter vertreten und mal so nebenbei als Nationaltrainer arbeiten – das hinterlässt Eindruck bei den Teilnehmern unserer Exkursion in die ehemalige Bundeshauptstadt.

Auch darüber hinaus darf Herr Ganns wohl ohne jeden Zweifel behaupten, dass er in seinem Leben schon so einiges erlebt hat. Der nunmehr 84-Jährige Senior Advisor des Regionalen Informationszentrums der Vereinten Nationen in Bonn hat 35 Jahre seines Lebens in Afrika verbracht, unter anderem als deutscher Botschafter in Kamerun, Äquatorial-Guinea, Namibia, Lesotho, Südafrika und eben im Niger. Ein zweifellos beeindruckender Lebenslauf. Dementsprechend aufmerksam wurde gelauscht, als Herr Ganns uns nicht nur an seiner beruflichen und persönlichen Lebensgeschichte teilhaben ließ, sondern auch zu dem Thema referierte, welches wir im Vorhinein angefragt hatten: Die Blauhelmmissionen der UN, welche weltweit die dauerhafte Beendigung gewalttätiger und bewaffneter Auseinandersetzungen bewerkstelligen sollen. Mal mehr, mal weniger erfolgreich, so erläutert Herr Ganns. Aber doch wesentlich häufiger mit zufriedenstellenden Abschlüssen, als das in der Öffentlichkeit vielleicht der Eindruck sei. Den gewaltigen Fehlschlägen, in denen die UN etwa 1994 in Ruanda und ein Jahr später im heute bosnischen Srebrenica massive Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord nicht verhindern konnte, stellt er Missionen entgegen, die einen dauerhaften und in vielen Fällen stabilen Frieden zum Resultat hatten, so beispielsweise auf Zypern. Dabei benennt Herr Ganns allerdings auch sehr deutlich, dass die UN sich zwar als Konsequenz auf die Katastrophen der 90er unter anderem das Handlungsinstrument „Responsiblity to Protect“, kurz R2P zugelegt hat, welches unter Voraussetzung eines entsprechenden Beschlusses des UN-Sicherheitsrates ein Eingreifen in die Souveränität eines Staates zum Schutze der dortigen Zivilbevölkerung auch gegen den Willen der jeweiligen Regierung ermöglicht, nach wie vor in vielen Fällen leicht der eigenen Handlungsfähigkeit beschnitten und zum tatenlosen Zusehen verdammt werden kann – was aktuell im syrischen Bürgerkrieg begründet durch das Veto Russlands und Chinas der Fall ist. Eine Reform des Sicherheitsrates wäre eine Lösung dieses Problems erläutert Herr Ganns – für realistisch hält er es nicht.

Was jedoch passiert, wenn ein Mandat erteilt wird und ein Einsatz gestartet werden kann wird uns ebenfalls erklärt. Wenn ein Einsatz militärischer Kräfte nötig ist, werden ausgebildete Soldaten benötigt, welche von einzelnen Staaten oder Organisationen wie der NATO angefordert werden müssen. Eigene Truppen besitzen die Vereinten Nationen nicht. Auffällig ist, dass Deutschland und andere westliche Staaten relativ wenig militärisches Personal stellen. Zu teuer, so Harald Ganns. Stattdessen kommen die größten Truppenkontingente, welche im Rahmen von UN-Missionen eingesetzt werden, seit Jahren aus Staaten wie Nepal, Bangladesch oder Kambodscha, für welche die im Gegenzug bereitgestellten Zahlungen der UN eine gern genutzte Möglichkeit sind, die jeweiligen Staatshaushalte aufzupumpen. Doch militärische Mittel alleine führen in aller Regel nicht zur langfristigen Beseitigung eines Konflikts. Zusätzlich würden beispielsweise diplomatische und wirtschaftliche Mittel, sowie Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit benötigt werden, so Ganns.

Thematisch passend ging es im benachbarten Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Gebäude des ehemaligen Bundeskanzleramts weiter. Dort wurde uns der Zivile Friedensdienst (ZFD) anhand einiger Beispiele von der Arbeit vor Ort in Entwicklungsländern vorgestellt. „Frieden ist mehr als nur das Schweigen von Waffen“. Frieden sei etwas, dass sich nicht verordnen lasse, er müsse von allen Beteiligten mitgetragen werden. Gewaltprävention und Friedensforderung in Krisen- und Konfliktgebieten würde nur funktionieren, wenn zivilgesellschaftliche Strukturen und Institutionen von Partnern vor Ort aufgebaut werden, welche verlässlich den Frieden konsolidieren und den Konflikt transformieren können. Dabei muss dafür gesorgt sein, dass alle relevanten Akteure miteinander auf gleichberechtigter Basis ins Gespräch kommen, denn „wer miteinander redet, schlägt nicht aufeinander ein“. Der Aufbau von Kooperationen und Dialog über Konfliktlinien hinweg, die Stärkungen traditioneller Schlichtungsinstanzen, aber auch die Ursachenforschung von Konflikten, sowie der Aufbau konfliktsensibler Medien gehören dabei zum Repertoire der Methodik.

Dabei sei angemerkt, dass Konfliktpotenzial nicht nur ein Problem ferner Länder ist: Der ZFD ist auch in Deutschland und Europa aktiv.