"Gefahren erkennen, Demokratie stärken!"

"Gefahren erkennen, Demokratie stärken!" - unter diesem Motto berichtete der ehemalige Neonazi Manuel Bauer in aufwühlender und sehr persönlicher Weise am 17.06.2019 von eigenen Erfahrungen in der Rechten Szene und seinem Ausstiegsprozess

„Ich sah diese Menschen damals als Halbaffen an, näher am Tier, als am Menschen“ – mit solchen und ähnlichen Aussagen schockierte Manuel Bauer, Referent bei der Veranstaltung „Gefahren erkennen, Demokratie stärken. Ausstieg aus der rechten Szene: Ein Ex-Neonazi berichtet“ die Zuschauer. Dabei wurde eines all jenen, die am 17.06. den Weg in das Institut für Politikwissenschaften gefunden hatten, schnell klar: Herr Bauer ist niemand, der das sprichwörtliche Blatt vor den Mund nimmt. Denn auch, wenn er selbst diese Ansichten nicht mehr vertritt, sollte er im Verlauf der Veranstaltung mit schonungsloser Wortwahl die Denk- und Handlungsweisen offenlegen, die ihn selbst als gewaltbereiten Neonazi vor seinem Ausstieg aus der Rechten Szene 2009 antrieben.

Eingeladen hatten der Arbeitskreis für Sicherheitspolitik Münster und das Regionalbüro Westfalen der Konrad-Adenauer-Stiftung zu einem Vortrag, der mehr leisten sollte als eine theoretische Betrachtung rechtsextremen Gedankenguts. Manuel Bauer referierte dabei nicht nur aufgrund seiner eigenen Erfahrungen als Neonazi, sondern auch als Mitarbeiter von EXIT-Deutschland, als welcher er selbst Mitglieder der Rechten Szene beim Ausstieg unterstützt.

So lag auch im Rahmen seiner Erzählungen der Fokus auch auf dem Ausstiegsprozess: „Es genügt dafür nicht, einfach nur die ästhetischen Ausdrucksformen zu wechseln.“ Für Menschen, die Jahre oder Jahrzehnte gegen den Staat, gegen das System gekämpft haben, sei ein gut begleiteter Prozess der kompletten Abkehr unabdingbar, der sich meist über Jahre hinzieht. Denn die Rechte Szene ist für viele „Lebenselexier“, wie Manuel Bauer sagt. Nicht nur die gesamte Sozialisation sind durch rechtsextremes Gedankengut bestimmt, sondern auch alle Freunde und häufig auch die Familie so in der Szene verhaftet, dass der Ausstieg in der Regel den vollständigen Verlust der meisten sozialen Kontakte bedeutet.

Um solch einen Prozess überhaupt bis zum Ende durchzustehen, bedürfe es von Anfang an klarer Perspektiven, wie der ehemalige Neonazi hervorhebt. Insbesondere die (Re-)Integration in das Wirtschaftsleben sei dabei einer der Kernpunkte, bei dem EXIT-Deutschland den Ausstiegswilligen helfen würde. Möglich sei dies meist erst nach einem Umzug, der eine neue Umgebung ohne ständigen Rechtsfertigungsdruck bringe. Für Bauer dabei ein Kernerlebnis: Die erste Nacht, in der er ohne Angst, die Tür werde eingetreten, zu Bett gehen konnte.

Durchsetzt sind diese Erläuterungen der Grundphasen eines normalerweise höchst individuell ablaufenden Ausstiegsprozesses immer wieder von persönlichen Schilderungen Bauers. Der Saal wird still, wenn er über Taten spricht, für die er strafrechtlich verfolgt und verurteilt worden ist: Straftaten gegen Menschen mit Migrationshintergrund, gegen Kinder, gegen schwangere Frauen. Geprägt sind seine Berichte dabei stets von eben jener menschenverachtenden Semantik, die er im Laufe seines Ausstiegsprozesses selbst hinter sich gelassen hat. Er möchte damit nicht nur eigene alte Denk- und Legitimationsmuster entlarven, sondern auch darlegen, wie Rechtsradikale bis heute ideologisch in tiefstem Antisemitismus und Antiamerikanismus verhaftet sind – etwas, dass man ihm sofort glaubt, wenn Begrifflichkeiten fallen, die die meisten nur aus dem Geschichtsbuch kennen.

Was nach einer der wohl aufwühlendsten Veranstaltungen des ASIUM bleibt, ist bei vielen somit Schock und Erkenntnis zugleich, wie tief menschenverachtende Vorstellungen in einzelnen Mitmenschen verwurzelt sein können – und damit das erneut wachgerufene Bewusstsein, welche Stellung „Gefahren erkennen, Demokratie stärken“ in der heutigen Zeit (immer noch) einnimmt. Dem Anspruch, mehr als nur eine theoretische Auseinandersetzung mit der Thematik „Rechtsextremismus“ zu bieten, wurde die Veranstaltung so jedenfalls gerecht.

 

 

Der Arbeitskreis Sicherheitspolitik an der Universität Münster dankt dem Regionalbüro Westfalen der Konrad-Adenauer-Stiftung sowie dem Studierendenparlament der WWU Münster für die finanzielle Unterstützung der Veranstaltung.